Ran­gier­bahn­hof­be­such

Bericht über unse­re Besich­ti­gung des Ran­gier­bahn­hofs Mün­chen Nord am 9.4.2011

25 Per­so­nen von der Interessen­gemeinschaft Fasa­ne­rie aktiv e.V. und dem Bür­ger­ver­ein Ler­chen­au tra­fen sich um 10.45 Uhr vor dem Haupt­ge­bäu­de des Ran­gier­bahn­hofs Mün­chen Nord.

Herr Lim­brun­ner, Lei­ter des Ran­gier­bahn­hofs, über­nahm die Füh­rung. Er erzähl­te uns, dass der Münch­ner Ran­gier­bahn­hof immer noch der moderns­te in Euro­pa sei, zuge­ge­be­ner­ma­ßen läge dies wohl aber auch dar­an, dass seit sei­ner Inbe­trieb­nah­me 1991 kein wei­te­rer Ran­gier­bahn­hof mehr gebaut wur­de. Der größ­te Ran­gier­bahn­hof ist Maschen / Hamburg.

Die Pla­nung für „unse­ren“ Ran­gier­bahn­hof begann bereits 1930. Damals kam man aber über eine Grund­pla­nung nicht hin­aus und schließ­lich stopp­te der Krieg alle Plä­ne. Ein Ver­wal­tungs­ge­bäu­de steht heu­te noch als Zeit­zeu­ge für die­se Anfangs­idee. Nach dem Krieg reich­te zunächst in den 60iger Jah­ren das Geld nicht, in den 70iger Jah­ren sog die Olym­pia­de alle Mit­tel auf. Als Ran­gier­bahn­hö­fe dien­ten zu die­ser Zeit Laim und Riem. In den 80iger Jah­ren griff man die alte Idee wie­der auf, unter­such­te aber zunächst 20 Stand­or­te in und um Mün­chen für ihre Eig­nung als Ran­gier­bahn­hof­ge­län­de. Die vor­han­de­ne Gleis­struk­tur, der Nord­ring und sicher nicht zuletzt die vor­han­de­ne Eigen­tü­mer­struk­tur des jet­zi­gen Gelän­des gaben dann den Aus­schlag, sich für den heu­ti­gen Stand­ort zu ent­schei­den. Aus Sicht von Herrn Lim­brun­ner, der den Ran­gier­bahn­hof von Anfang an beglei­te­te, eine sehr ver­nünf­ti­ge Ent­schei­dung, da das Gelän­de gute Ankunfts- und Abfahrts­mög­lich­kei­ten bietet.

Zur dama­li­gen Zeit sahen dies 22 Orga­ni­sa­tio­nen und Ver­ei­ne rund um das geplan­te Ran­gier­bahn­hof­ge­län­de anders und schlos­sen sich zu einem Koor­di­na­ti­ons­kreis zusam­men, des­sen Spre­cher unser Herr Aschau­er war. Auch unser Mit­glied Herr Hof­mann war als Vor­sit­zen­der der Schutz­ge­mein­schaft gegen den Ran­gier­bahn­hof e.V. aktiv in die­ser Gemein­schaft tätig. Die Stadt Mün­chen schloss sich nach einem Mei­nungs­wan­del die­ser größ­ten Münch­ner Bür­ger­be­we­gung im Kampf gegen die Pla­nungs­grö­ße und der zu erwar­ten­den Lärm­be­läs­ti­gung an. 1987 ent­schied dann das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt, dass der Ran­gier­bahn­hof mit nach­fol­gen­den, bis heu­te gel­ten­den Ein­schrän­kun­gen oder Auf­la­gen, gebaut wer­den darf.

Lärm­wäl­le muss­ten gebaut wer­den. Laut­spre­cher­durch­sa­gen unter­sag­te das Gericht eben­so, wie das fah­ren mit lan­ger Kupp­lung. Noch heu­te kom­mu­ni­zie­ren die Mit­ar­bei­ter auf dem Ran­gier­bahn­hof­ge­län­de mit­tels Funk. Als wei­te­re Auf­la­gen wur­de das Absto­ßen der Wag­gons unter­sagt und für die Brems­an­la­gen wur­den völ­lig neue Tech­ni­ken ent­wi­ckelt, die effi­zi­en­ter und viel lei­ser waren.

Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt schrieb auch eine freie Begeh­bar­keit des Gelän­des vor, Basis für unser heu­te bei Jung und Alt so belieb­tes Frei­zeit­ge­län­de. Nicht genug damit, die geplan­ten 64 Glei­se muss­ten auf 40 redu­ziert wer­den und die Schein­wer­fer, die nachts Tages­hel­le brin­gen soll­ten, leuch­ten heu­te mit Normalstärke.

Nicht vor­aus­ge­se­hen hat man, dass die neu gebau­te Brü­cke der Dach­au­er Str. zum Reso­nanz­kör­per wur­de und so unge­wollt ein Lärm­ver­stär­ker entstand.

Die rich­ter­li­chen Ein­schrän­kun­gen, die auf bür­ger­li­ches Enga­ge­ment zurück­zu­füh­ren sind führ­ten dazu, dass der Lärm erträg­lich blieb und ein für die Bür­ger wert­vol­les Frei­zeit­ge­biet geschaf­fen wer­den konnte.

Die Lärm­schutz­maß­nah­men kos­te­ten 150 Mio. DM, ein knap­pes Drit­tel der gesam­ten Bau­kos­ten des Ran­gier­bahn­ho­fes in Höhe von 500 Mio. DM. Geplant war damals, dass 3000 Wag­gons täg­lich rein und raus abge­fer­tigt wer­den, eine völ­li­ge Über­pla­nung wie sich spä­ter in der Pra­xis her­aus­stell­te. Heu­te ste­hen 40 Rich­tungs­glei­se zur Ver­fü­gung, 39 Glei­se haben fes­te Zug­bil­dungs­zie­le, 1 Gleis ist als Reser­ve­gleis vor­ge­se­hen. Der Ran­gier­bahn­hof besitzt 14 Aus­fahr­glei­se und kann von bei­den Sei­ten befah­ren wer­den. In der der Bun­des­re­pu­blik gibt es 10 Ran­gier­bahn­hö­fe, mit denen man kor­re­spon­diert. Neben Ham­burg als Ran­gier­bahn­hof für die ein- und aus­ge­hen­den See­con­tai­ner, sind die wich­tigs­ten Ran­gier­bahn­hö­fe Nürn­berg und Mannheim.

2008 gab es einen Wirt­schafts­knick, es wur­den nur noch 1000 Wag­gon täg­lich abge­fer­tigt. Damals ent­stand die Idee, den Ran­gier­bahn­hof Mün­chen Nord zu schlie­ßen und die gesam­ten Akti­vi­tä­ten nach Nürn­berg zu ver­la­gern. Nach der wirt­schaft­li­chen Erho­lung ist die­se Idee ent­gül­tig vom Tisch. Das Unter­neh­men DB woll­te sich auch nicht die Chan­ce des Wachs­tums neh­men las­sen. Zur Zeit plant man, den Ran­gier­bahn­hof Nürn­berg durch den Abzug eini­ger Desti­na­tio­nen zuguns­ten von Mün­chen zu ent­las­ten. Bei­de bay­ri­schen Ran­gier­bahn­hö­fe hät­ten dann in etwa eine glei­che Tages­leis­tung von 2000 Wag­gons. Der­zeit kor­re­spon­diert man natio­nal mit Ulm, Korn­west­heim, Mann­heim, Köln, Leip­zig und natür­lich Nürn­berg, inter­na­tio­nal mit der Ost­schweiz, Ita­li­en (Bren­ner, Mai­land, Verona),

Hall i.Tirol, Zagreb, Vil­lach und Salzburg.

Das Gelän­de wird von vier Ran­gier­lo­ko­mo­ti­ven ver­sorgt. Als Berg- und Tal­brem­sen sind Bal­ken­brem­sen ein­ge­setzt. In den Rich­tungs­glei­sen befin­den sich Gum­mi­g­leis­brem­sen. In der dahin­ter befind­li­chen „Räum­zo­ne“ wer­den die Wag­gons von klei­nen Lauf­kat­zen gescho­ben, die auto­ma­tisch vom Ran­gier­bahn­hof­tower aus gesteu­ert werden.

Orga­ni­sa­to­risch weist der Ran­gier­bahn­hof vier Zonen auf: die Ein­fahrts­grup­pe, die Berg­grup­pe, die Rich­tungs­grup­pe und die Aus­fahrt­grup­pe. In der Ein­fahrts­grup­pe wer­den die ankom­men­den Wag­gons von­ein­an­der getrennt, das Ent­kop­peln ist eine schwe­re Arbeit, die nach wie vor manu­ell erle­digt wer­den muss. Spe­zi­ell kon­stru­ier­te Berg­lo­ko­mo­ti­ven drü­cken die Wag­gons an den Abroll­berg, den Abdrück­vor­gang steu­ert ein Rech­ner im elek­tro­ni­schen Stell­werk, der auch dafür sorgt, dass die Wag­gons in das rich­ti­ge Rich­tungs­gleis rol­len. Mit­hil­fe von Radar­kon­tak­ten, Gewicht­ge­bern (Kon­trol­le der Wag­gon­ge­wich­te) und Gleis­kon­tak­ten errech­net der Ablauf­steu­er­rech­ner die Inten­si­tät, mit der die unter­schied­li­chen Wag­gons von den Gum­mi­g­leis­brem­sen abge­bremst wer­den, um über­pro­por­tio­na­le Ran­gier­stö­ße, die Lärm erzeu­gend und güter­be­schä­di­gend wir­ken wür­den, zu vermeiden.

Die Län­ge eines Zugs beträgt max. 700 m, Aus­nah­men bedür­fen einer Son­der­ge­neh­mi­gung, die nur für aus­ge­wähl­te Stre­cken erteilt wird. Schwe­re „Erz­zü­ge“ brin­gen bis zu 6000t auf die Waa­ge. Der Sicher­heit wegen sind 256 Ach­sen pro Zug eine wei­te­re Gren­ze für die Zuglänge.

Am Ran­gier­bahn­hof Mün­chen Nord sind heu­te ca. 120 Mit­ar­bei­ter beschäf­tigt. Die schwe­re Arbeit der Ent­kop­pe­lung leis­ten in der Regel aus­län­di­sche Mit­ar­bei­ter, deren Durch­schnitts­al­ter der­zeit bei 50 Jah­ren liegt. Sie ver­die­nen rd. 1500 € net­to pro Monat. Ein Dis­po­nent kommt auf rd. 2500 € net­to. Es herrscht Schicht­be­trieb, mit einem Schwer­punkt auf die Nachtstunden.

Die Füh­rung war hoch­in­ter­es­sant und kom­pe­tent, man merk­te, dass Herr Lim­brun­ner den Ran­gier­bahn­hof von der Pie­ke auf kennt. Von allen Sei­ten war zu hören, dass es eine tol­le Sache war, dabei gewe­sen zu sein.

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